Petition EU-Linux

Petition Nr. 0729/2024, eingereicht von N. W., österreichischer Staatsangehörigkeit, zur Einführung eines EU-Linux-Betriebssystems in den öffentlichen Verwaltungen aller EU-Mitgliedstaaten.

Zusammenfassung der Petition:

Die Ausgaben für proprietäre Software-Lizenzen sind in der deutschen Bundesverwaltung in den letzten Jahren steil angestiegen. Obwohl der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) dieses Jahr die Bekanntgabe der Zahlen verhindern wollte, kamen sie doch heraus. Die Ausgaben für Lizenzen für Computerprogramme und IT-Services sind im Jahr 2022 von 771 Millionen Euro auf über 1,2 Milliarden im Jahr 2023 gestiegen. Das entspricht einer Zunahme von 57 Prozent. Rechnet man das auf das Jahr 2024 hoch, ergeben sich Kosten von knapp 1,9 Milliarden. Euro. Gleiche Verhältnisse vorausgesetzt, ergibt das für ganz Europa einen Betrag von ca. 10 Milliarden Euro. Von diesem Betrag erhält die Firma Microsoft ungefähr 200 Mio. Euro (aus Deutschland), was hochgerechnet gut 1 Mrd. Euro für Europa ergibt.

Von den Gesamtausgaben entfallen laut Netzpolitik.org 99,5 % auf proprietäre Software und 0,5 % auf Freie Software. Diese Zahlen müssen mit Vorsicht betrachtet werden, weil sie von FDP-Ministern (im letzten Beispiel von Volker Wissing) als Verschlusssache deklariert wurden. Wie dem auch sei, zeugen die Zahlen nicht von der im letzten deutschen Koalitionsvertrag geäusserten Absicht, gemäß der man sich zugunsten der digitalen Souveränität von proprietärer Software unabhängig machen und stattdessen vermehrt auf Open-Source-Lösungen setzen wollte.

Nun ja, die aktuelle deutsche Bundesregierung ist Geschichte und wird sehr wahrscheinlich bei den Neuwahlen 2025 durch eine CDU-dominierte Regierung abgelöst werden. Wir haben unsere Zweifel, ob die 0.5 % für Freie Software noch weiter gedrückt werden können, befürchten es jedoch. Tatsächlich ist die Abhängigkeit von den großen Tech-Firmen so weit gediehen, daß wir uns keinen mittelfristigen Ausweg daraus vorstellen können.

Was passiert eigentlich, wenn Deutschland oder Europa beim Trio Trump/Vance/Musk in Ungnade fällt? Sie könnten Exportbeschränkungen für Software gegenüber Europa erlassen. Nicht unbedingt um die heimische Softwarewirtschaft zu fördern (was nicht der Fall w&aoml;re), sondern um andere politische Interessen durchzusetzen.

Abgesehen vom krassen Missverhältnis bei den Software-Ausgaben, welche das Bekenntnis zu freier Software und digitaler Souveränität zum Lippenbekenntnis machen, ... oh, wait ... ist das vielleicht das Eingeständnis, daß man gar nicht mehr anders kann, weil die Abhängigkeit bereits zu groß geworden ist?

Was ist nun von der Petition zu halten? Wir denken, (leider) gar nichts. Was soll denn ein EU-Linux sein? Das Abilian Innovation Lab sieht folgende Vorteile:

Ein souveränes EU-Linux würde mehrere Vorteile bieten:

Bereitschaft und Flexibilität: Durch die Nutzung der ausgereiften, anpassungsfähigen Linux-Architektur könnte eine EU-spezifische Distribution auf die besonderen rechtlichen Anforderungen zugeschnitten werden.

Wirtschaftliche Effizienz: Die Umstellung von kostspieligen proprietären Lizenzen auf Open-Source könnte die Ausgaben senken und die Mittel in Innovation und lokales IT-Wachstum umlenken.

Erhöhte Sicherheit: Als quelloffenes System bietet Linux Transparenz und Nachvollziehbarkeit, sodaß EU-Experten für Cybersicherheit proaktiv Schwachstellen erkennen und beheben können.

Interoperabilität: Die Kompatibilität von Linux mit offenen Standards würde eine effiziente grenzüberschreitende Zusammenarbeit und den Austausch von Daten innerhalb der EU ermöglichen.

Digitale Souveränität und Datenschutz: Durch die Kontrolle des Betriebssystemcodes könnte die EU die Daten ihrer Bürger besser schützen und die Abhängigkeit von ausländischen Systemen verringern.

Die genannten Gründe sind keine Besonderheit einer EU-Linux-Distribution, sondern treffen generell auf Linux-Distros zu. Man könnte argumentieren, daß der Linux-Kernel bzw. bestimmte Linux-Distribution nicht frei von staatlicher Einflußnahme sind. Erst kürzlich hatten wir den Fall des Ausschlußes von Maintainern, die für bestimmte russische Firmen arbeiten. Wenn das die Angst ist, könnte man sich auf existierende europäische Distributionen beschränken oder auf solche, die gegen staatliche Einflußnahme immun sind. Falls es die gibt: Hallo Debian, Fedora, Arch, Ubuntu, SUSE.

In der Petition wird auch die Einführung des mobilen /e/OS-Betriebssystems für staatliche Geräte vorgeschlagen. Hut ab, daß sich überhaupt jemand traut, ein alternatives Betriebssystem für Smartphones vorzuschlagen. Ob /e/OS die richtige Wahl ist, wagen wir stark zu bezweifeln. Insbesondere, weil das Murena-Angebot seit einem Monat mit massiven Problemen kämpft. Die Frage nach einem souveränen Smartphone-Betriebssystem halten wir für wesentlich schwieriger als die Frage nach einer europäischen Linux-Distribution.

Die Petition hat zurzeit knapp 2370 Unterstützer, also gleich Null. Dennoch werden wir die Petition unterstützen, weil sie in die richtige Richtung zeigt. Einzige Option zur Verbesserung aus unserer Sicht: man sollte das "EU-Linux" nicht nur staatlichen Stellen anbieten, sondern auch privaten Nutzern zur Verfügung stellen!