Wir feiern Geburtstag: 40 Jahre ... Windows 1.0
Bill Gates zeigte 1985 auf der Comdex, was man mit der grafischen Benutzeroberfläche "Windows 1.0" alles machen kann und lobte, wie sehr sie sich "an den natürlichen Seh- und Arbeitsgewohnheiten des Menschen" orientierte.
In der Microsoft-Geschichte wird er so zitiert: "Windows 1.0 ist eine einzigartige Software für anspruchsvolle Nutzer, die mit dem PC ihre Produktivität steigern möchten." Steve Ballmer spielte einen Gebrauchtwagenhändler, der den grafischen Aufsatz von MS-DOS für 99 Dollar verscherbeln wollte. Zugreifen, anklicken! (Maus kaufen)
Windows 1.0 war im November 1983 angekündigt worden. Erscheinen sollte es im folgenden Jahr. Doch daraus wurde nichts. Erst 1985 war Microsoft in der Lage, eine stabile Oberfläche mit einigen Programmen zu zeigen. Die Zeit drängte: Bill Gates und seine Manager wussten, daß IBM auf der Comdex mit der Firma Visicorp über den Ankauf der Benutzeroberfläche VisiOn für sein von Microsoft entwickeltes PC-DOS verhandelte, nachdem sich die eigene Entwicklung namens TopView als unbrauchbar erwies. Entsprechend groß war der Aufwand, den Microsoft auf der Messe betrieb. Werbung für Windows war auf den Servietten der Restaurants und auf den Schlüsselanhängern der Autovermieter; ein Beutel mit Windows-Werbung wurde täglich an die Zimmertüren der großen Hotels gehängt. Microsofts Werbe-Chefin Pam Edstrom soll persönlich den Beutel zur Suite gebracht haben, in der IBM und Visicorp miteinander verhandelten.
Die zentrale Botschaft der Windows-Werbung war ein kühnes Versprechen: Windows 1.0 sollte auf 90 Prozent aller (IBM-kompatiblen) PCs laufen können und es den Benutzern ermöglichen, zwischen einzelnen Programmen zu wechseln, ohne daß sie beendet und dann wieder neu gestartet werden müssen. Das klang gut, zündete aber nicht. In der eingangs zitierten Microsoft-Geschichte heißt es nüchtern: "Doch so richtig angenommen wurde die Software nicht. Erst mit Windows 3.0 erlangte Microsoft eine breitere Akzeptanz bei den Nutzern."
Windows 1.0, VisiOn, TopView, GEM von Digital Research und Mondrian von Dynamical Systems Research, all diese Versuche, den PC mit einer grafischen Oberfläche zu beglücken, kämpften mit den schwachen Leistungswerten der damaligen IBM-kompatiblen Rechner. Selbst Microsoft, wo man als DOS-Entwickler direkten Zugang zu den DOS-Funktionen hatte, kämpfte mit dem unzureichenden Arbeitsspeicher. So gab es eine Anweisung an die Mitarbeiter, Windows 1.0 nur mit einer Speichererweiterungskarte wie dem Intel Above Board oder der Tecmar Memory Card und mit einer Festplatte zu demonstrieren, um die mangelhafte Leistung zu kaschieren. Wer Windows 1.0 auf einem damals üblichen Rechner mit zwei Laufwerken starten wollte, musste fünfmal die Disketten wechseln, ehe die Oberfläche startklar war. Windows, zuvor als Vaporware verspottet, entpuppte sich als ziemlich lahme Ente.
Als Windows 1983 angekündigt wurde, hatte Gates noch versprochen, daß Windows als OEM-Version direkt beim Kauf eines neuen PC vom Hersteller mitgeliefert werde. Das war nicht der Fall, zumindest nicht in Deutschland, wo Windows in der Version 1.03 ausgeliefert wurde. Windows kostete 399 DM, die für die Bedienung eigentlich notwendige Maus lag bei 799 DM. Sie wurde ursprünglich für die Textverarbeitung MS-Word entwickelt. Windows und Maus kosteten zusammen günstige 900 DM, was damit begründet wurde, daß das Einführungsangebot MS Write enthielt, eine vollständige Textverarbeitung, die später einzeln 1700 DM kosten sollte. Überdies warb Microsoft Deutschland damit, Windows mit einer umfangreichen Garantie für Hard- und Software auszuliefern. Bei näherer Betrachtung entpuppte sich die Software-Garantie als Zusicherung, defekte Disketten zu ersetzen. "Microsoft übernimmt keine Gewährleistung dafür, daß das Programm den Anforderungen des Erwerbers entspricht und es in der von ihm getroffenen Auswahl und in Zusammenhang mit anderen Programmen fehlerlos arbeitet."
In der c´t wurde Windows 1.0 im Jahre 1986 vorgestellt. "Wer Dialogboxen und Mäuschen liebt, muß sich nicht unbedingt Hardware mit einem ´A´ (Atari, Apple, Amiga) kaufen. Der PC tut's auch...". Die Vorstellung endete durchaus positiv: "Bleibt jetzt zu wünschen, daß möglichst viele gute Programme unter Windows ablauffähig sind (oder werden oder gemacht werden...). Write ist ein Anfang und das Grafik-Zeichenprogramm In-A-Vision ist ein Ausblick.". Dieser Ausblick war lange Zeit ein einzigartiger, weil die Softwarebranche Windows ignorierte. Das zweite Windows-Programm Pagemaker von Aldus erschien im Dezember 1986. Windows war da so selten im Einsatz, daß Pagemaker mit einer eigenen Windows-Version an den Start ging.
Die von Microsoft im Jahre 1987 vom Apple her portierte Version der Tabellenkalkulation Excel für Windows 2.0 war schließlich das Programm, mit dem Windows durchstarten konnte. Drei Jahre lang gab es keine Konkurrenz für Excel, auch weil Lotus sich entschieden hatte, seine Tabellenkalkulation 1-2-3 für OS/2 zu entwickeln. Es ist kein Zufall, daß 1990 Microsoft Excel und nicht etwa Windows in der Comdex-Keynote von Bill Gates die Hauptrolle spielte, als dieser über "Information at your Fingertips" sprach. Fast alle in dieser Keynote gezeigten Screenshots von miteinander verknüpften Objekten waren Excel-Tabellen – unter dem neuen Presentation Manager von Windows 3.0.
Wer zum Geburtstag ausprobieren möchte, wie sich Windows 1.0 anfühlte, wird hier fündig, auch wenn das Tempo, mit dem die Oberfläche startet, nicht sonderlich realistisch ist.