Linux Mint vs. Ubuntu: welche Distribution ist die bessere Wahl?

Wenn wir an dieser Stelle Linux Mint als Ubuntu-Alternative vorstellen, rennen wir vermutlich offene Türen ein: Linux Mint gilt vielen Nutzern in Österreich und Deutschland seit Jahren als das bessere Ubuntu.

Hauptgrund ist sicher die Desktop-Eigenentwicklung Cinnamon, aber Linux Mint ist deutlich mehr als ein Cinnamon-Desktop auf Ubuntu, dessen Systembasis Mint bekanntlich übernimmt.

Mit anderer Releasepolitik, Snap-Verweigerung und zahlreichen Eigenentwicklungen aus eigenen Paketquellen beansprucht Linux Mint den Status einer eigenständigen Distribution.

Daß Linux Mint nicht jede Ubuntu-Kapriole mitmacht, zeigt schon die Installation. Hier arbeitet der seit Jahren – auch für Multiboot – bewährte Ubiquity-Installer. Der Verzicht auf den schicken Flutter-Installer, der funktional wenig bringt, erspart dem Installations-ISO mindestens ein GB.

Installer-Optionen wie ZFS als Dateisystem oder die Anbindung an Active-Directory-Formenserver hat Linux Mint im Hinblick auf die Zielgruppe stets aussortiert, im Interesse dieser Zielgruppe andererseits die einfache Home-Verschlüsselung ("Meinen persönlichen Ordner verschlüsseln") immer beibehalten – neben der wichtigeren Luks-Verschlüsselung via LVM.

Das alles sind vernünftige Vorentscheidungen für ein typisches Desktopsystem.

Linux Mint folgt stets mit zeitlichem Abstand seiner Ubuntu-LTS-Basis. Dabei macht es auch jedes halbjährliche Point Release mit, bewertet diese aber anders als Ubuntu.

Für Linux Mint gilt praktisch jedes Point Release als neue Version. Anders als bei Ubuntu ist eine explizite Upgradeentscheidung des Benutzers erforderlich, um den Status des nächsten Point Releases zu erreichen. Wer das nicht macht, verharrt bei der einmal installierten Version.

Während sich Ubuntu-Langzeitversionen automatisch zum Stand des aktuellen Point Release aktualisieren, kann man ein Linux Mint jahrelang auf dem originalen Status erhalten. Die Aktualisierungsverwaltung liefert dann zwar die Sicherheitsupdates, jegliche Änderungen an Software, Desktop oder Kernel unterbleiben jedoch. Das ist unterm Strich noch konservativer als ein Debian.

Aus Stabilitätsgründen kann man auf die halbjährlichen Upgrades tatsächlich verzichten. Man muß sich aber darüber im Klaren sein, daß Point-Release-Upgrades immer alle Zwischenschritte gehen müssen. Man kann also nicht ein ursprüngliches Mint 22 auf "Version 22.3" upgraden, solange nicht die Schritte 21.1 und 22.2 absolviert sind.

Vor allem kann man 2026 nicht auf die nächste Hauptversion 23 umsteigen, wenn kein 22.3 vorliegt. In der Regel machen Desktopnutzer daher alle Unterversionen mit. Linux Mint unterstützt dies in der Aktualisierungsverwaltung (unter "Bearbeiten") komfortabel per Klick. Linux Mint macht das Upgrade aber nur nach Auftrag des Nutzers.

Snap-Verbot: Linux Mint hat weder Snap-Software noch den Snap-Daemon (snapd) an Bord. Das System verbietet durch die Datei /etc/apt/preferences.d/nosnap.pref sogar das Nachinstallieren der Snap-Umgebung.

Statt Snap ist als Alternative zu den klassischen DEB-Paketen ist die Flatpak-Umgebung an Bord und Flatpak-Software in der Anwendungsverwaltung. Linux Mint gibt aber keine Flatpak-Programme vorinstalliert vor.

Um die Zwangs-Snaps der offiziellen Ubuntus zu ersetzen, hat Linux Mint die Pflege zweier Standardprogramme übernommen. Firefox und Thunderbird sind als klassische DEB-Pakete vorinstalliert und werden als "Firefox/Thunderbird für Linux Mint" vom Mint-Team aktualisiert.

Manuelle Updates sind "deaktiviert", weil die Updates über die zentrale Aktualisierungsverwaltung erfolgen (oder mit apt upgrade).

Kernel-Verwaltung: Linux Mint liefert in seiner Aktualisierungsverwaltung unter "Ansicht –› Linux-Kernel" eine außergewöhnliche Kernel-Verwaltung. Hier kann man gezielt jüngere Kernel-Versionen installieren, aber auch Ansammlungen älterer Kernel-Sicherungen löschen. Die Kernel-Verwaltung ist hinsichtlich ihrer Organisation etwas unübersichtlich, als Service aber vorbildlich.

Wer Linux Mint schon länger benutzt, sollte aber wissen, daß die Distribution nicht mehr ganz so ultrakonservativ agiert wie in früheren Jahren: früher blieb der Kernel selbst dann unverändert, wenn Mint-Nutzer die Point-Release-Upgrades absolvierten.

Neuerdings erhält Linux Mint ab jeder Zwischenversion XX.2 (ganz aktuell 22.2 "Zara") einen aktuelleren Linux-Kernel. Ungeachtet dessen ist Kernel-Verwaltung ist ein Highlight der Distribution.

Timeshift-Integration: Timeshift ist ein überall verfügbares Linux-Tool zur Systemsicherung > a la Windows-Systemwiederherstellung. Es ist unter Linux Mint vorinstalliert, aber nicht einfach als externes und optionales Programm.

Timeshift ist hier tief in das System integriert, fordert schon bei der ersten Einrichtung ("Willkommen"-Fenster) Aktivierung und Zeitplan und mahnt vor Upgrades, falls noch keine Sicherung besteht. Auch in der Aktualisierungsverwaltung erscheint der Punkt "Systemschnappschüsse".

Zahlreiche Mint-Extras: Linux Mint liefert ein stattliches Repertoire an Zubehörprogrammen mit, viele davon Eigenentwicklungen. Dazu gehören die X-Apps wie Texteditor Xed ("Textbearbeitung"), der Xplayer ("Videos"), der Xviewer ("Bildbetrachter") und der Xreader (für PDFs).

Manche Projekte wie der Warpinator zum Datenaustausch im Netzwerk und kleinere Mint-Tools wie Mintstick (USB-Abbilderstellung) oder Mintbackup (Datensicherungswerkzeug) sind freundliche, aber weitgehend entbehrliche Ergänzungen. Die entscheidenden Punkte macht Linux Mint mit den Verwaltungstools:

  • Die Aktualisierungsverwaltung (Mintupdate) für Updates und Upgrades bietet detaillierte Zeitpläne zur Automatisierung, Updates für DEB, Flatpak und Cinnamon-Erweiterungen sowie die schon erwähnte Kernel-Verwaltung.
  • Die Treiberverwaltung (Mint-drivers) installiert proprietäre Herstellertreiber.
  • Die Anwendungsverwaltung (Mintinstall) sucht und installiert Software aus DEBund Flatpak-Quellen.
  • Die Anwendungspaketquellen (Mintsources) bieten Kontrolle und Wartungsoptionen zur Verwaltung der Softwarequellen inklusive PPAs und externer Softwarequellen.
  • Die Systemeinstellungen (Cinnamon-Settings) sind eine nicht immer übersichtliche, aber umfangreiche Zentrale für Systemverwaltung und Desktopanpassung.
  • Der "Willkommen"-Bildschirm (Mintwelcome) hat mehr zu bieten als bei anderen Distributionen und darf als zusätzliche Mini-Zentrale für die Systemverwaltung gelten.
Die Cinnamon-Oberfläche ist attraktiv, funktional und anpassungsfähig, aber nicht modern. Die Arbeit an der unvermeidlichen Wayland-Unterstützung hat gerade erst begonnen und manche Funktionen wie der Leistenbearbeitungsmodus oder die Konfiguration der Desktopthemen können altmodisch wirken.

Das Meisterstück Cinnamons ist aber eine minutiös durchdachte Verlinkung aller Desktop- und Programmkomponenten: das beginnt bei Menü, Leiste ("Gruppierte Fensterliste"), Arbeitsfläche und geht über Systemeinstellungen, Aktualisierungsverwaltung bis hin zum Dateimanager.

Dem Cinnamon-Nutzer wird viel Linux-Know-how einfach dadurch abgenommen, daß am passenden Ort einfach "alles da ist" – als Menüeintrag oder als Kontextoption.