Brutaler Absturz der VMware Explore
Auf seiner Hausmesse VMware Explore, die nach der Einstellung des europäischen Ablegers in diesem Jahr nun ausschließlich in den USA stattfindet, hat Broadcom seine Strategie weiter konkretisiert und Produkte rund um seine VMware Cloud Foundation getaufte Plattform angekündigt. VCF erschien erst vor Kurzem in Version 9.
Selten zuvor in der Geschichte von VMware hat die Strategie des Herstellers die Kundenbasis und Community so sehr gespalten, wie seit der bei Kunden doch eher ungeliebten Übernahme durch den Chip-Riesen Broadcom. Verfechter der neuen Strategie und Partner, die ausschließlich auf die Produkte von VMware setzen, sehen es durchweg positiv: Broadcoms CEO Hock Tan hätte Ordnung in das Chaos mit tausenden von bestellbaren Produkten gebracht. Aus dem bisherigen VMware-Produktzoo rund um ESXi, vCenter, NSX, vSAN, Aria Automation und Operations und einigen mehr wurde die voll integrierte VCF-Plattform geschaffen und im Partner-Ökosystem richtig aufgeräumt.
"Partnern, die unser Ökosystem verstopft haben, wurde die Autorisierung entzogen", erklärte Laura Falko, verantwortlich für das globale Partnerprogramm von Broadcom, gegenüber europäischen Journalisten die immer noch laufenden Änderungen im Partnerprogramm. Und natürlich wird der Börsenkurs von Broadcom gefeiert, der sich seit der Übernahme von VMware vor zwei Jahren äußerst positiv entwickelt hat. Aus der Perspektive der Aktionäre macht Hock Tan also alles richtig.
Die andere Hälfte beklagt den wenig wertschätzenden Umgang mit Kunden, Mitarbeitern und Partnern, die teils über 25 Jahre lang geholfen haben, die Erfolgsgeschichte von VMware mitzugestalten und zu ermöglichen. Hier verursacht der doch recht harsche Umgang mit (inzwischen häufig ehemaligen) Mitarbeitern, Partnern und Kunden ein gehöriges Maß an Unmut.
Die rückläufige Begeisterung bei Anwendern und den unfreiwillig weniger werdenden Partnern konnte man an der Teilnehmerzahl ablesen, die einen Negativrekord darstellt: Je nach Quelle waren zwischen 2500 und 5000 Personen im weitläufigen Konferenzzentrum des Venetian-Hotels in Las Vegas. Das Ergebnis war verwaiste Gänge, teilweise weit unterhalb der Raumkapazität besetzte Breakout Sessions und gähnende Leere im Ausstellungsbereich.
Und das, obwohl Sponsoren wie Microsoft, Google Cloud oder AWS für viel Geld die Hausmesse des konkurrierend-kooperienden Herstellers in Hoffnung auf qualifizierte Kundenkontakten mit einer kräftigen Finanzspritze unterstützt hatten. Diese zeigten sich im Gespräch mit der iX entsetzt über die wenigen Kundengespräche. Andere langjährige und auf früheren Hausmessen sehr aktive Partner waren überhaupt nicht vertreten – auf X musste sich Veeam bereits die Kritik gefallen lassen, VMware hätte den Backup-Spezialisten erst groß gemacht und jetzt zahle Veeam es VMware mit Undankbarkeit heim und würde nicht mal als Sponsor auftreten oder sich zu VCF 9 äußern.
Auch bei Kunden war die Stimmung eher verhalten: wenige ganz große Kunden können sich mit dem quasi-Zwang, auf VCF gehen zu müssen, durchaus anfreunden – aber auch sie suchen nach Alternativen, nachdem Broadcom durch die schlecht kommunizierten Preiserhöhungen und als unfair empfundenen Änderungen der Spielregeln nicht mehr in jedem Kundenhaus als zuverlässiger und fairer Geschäftspartner wahrgenommen wird. Ein Teilnehmer aus einem mittelgroßen US-amerikanischen Unternehmen brachte es im Gespräch mit iX am Rande einer Session auf den Punkt: "Wir zahlen jetzt bei VCF für viel Software, die wir nicht wirklich nutzen."
Auch die Hyperscaler AWS, Google Cloud und Microsoft zeigten sich auf und nach der Messe wenig erfreut über Broadcoms Gebaren. Zahlten die drei großen Cloud Anbieter doch als Diamant-Sponsoren der Hausmesse den Löwenanteil des Ausstellersponsorings – alle anderen Partner- und Herstellerstände waren deutlich kleiner und günstiger –, so mussten sie sich bereits in den ersten fünf Minuten der Keynote des ersten Tages vorhalten lassen, daß VCF doch ohnehin viel besser und günstiger als die Angebote der Hyperscaler sei. Zumal hinter vorgehaltener Hand auf der Messe zu erfahren war, daß gleich am Freitag nach Abschluß der VMware Explore eine weitere Änderung anstünde, die den Hyperscalern nicht gefallen würde – und die kam dann auch prompt.
Im Blogbeitrag auf der Seite von VMware kündigt Abhay Kumar, Global Head of Managed Services der VCF Abteilung von Broadcom an, daß mit dem Start von Broadcoms neuem Fiskaljahr im November 2025 die Hyperscaler keine Lizenzen für VCF mehr den Kunden direkt bereitstellen dürfen, sondern diese ausschließlich über Broadcom bezogen werden müssen. Die Begründung: das sei ja schließlich einfacher und besser für die Kunden und entspräche den Kundenwünschen, die dadurch noch mehr Kontrolle hätten, den Austragungsort ihrer Private-Cloud-Umgebungen zu bestimmen. Jedoch waren die Lizenzen vorher bereits portabel. Wenig überraschend führt diese Ankündigung nicht zu Begeisterungsstürmen bei den Hyperscalern. Aus Broadcoms Sicht ist das aber nur konsequent – sie werden nun nicht besser behandelt als Mitarbeiter, Partner und Kunden.
Ungeachtet der geteilten Stimmung bei den anwesenden Kunden und Partnern hatte der Hersteller natürlich auch Neuerungen in seiner Plattform zu vermelden. Die einzelnen Produkte noch zu nennen wurde dabei vermieden, denn alle Kunden auf die VCF (oder notfalls die kleinere Variante VVF) zu bringen, ist das erklärte Ziel Nummer 1 des Herstellers.
Gegenüber der ursprünglichen Vorstellung sowie der gleichzeitigen Veröffentlichung von VCF 9 Mitte Juni 2025 stellte VMware in der Keynote der Veranstaltung einige Neuerungen, Änderungen sowie neue Partnerschaften vor. Unter dem Motto, eine Infrastrukturplattform zur Verfügung zu stellen – beworben als "Infrastructure at the Speed of the Developer" – will VMware sich mit seinem Flaggschiff VCF weiter als vollumfängliche "private" und kostengünstigere Alternative zu den Hyperscalern der Public Cloud aufstellen. Entsprechend wurden die administrativen Brüche zwischen den Teilprodukten in VCF 9 weiter reduziert sowie die Installation und die Oberflächen für den Betrieb durch die Administratoren und den Konsum durch Entwickler vereinfacht und vereinheitlicht. All das darf auf technischer Ebene als gelungen bezeichnet werden – Broadcom hat also seine vor einem Jahr gemachten Versprechungen einer vereinfachten und mächtigen Private-Cloud-Plattform eingelöst – Mission Accomplished, wenn man so will.
Neu hinzugekommen ist nun ein integrierter S3-kompatibler Objektspeicher, bereitgestellt von VMwares Speicherkomponente vSAN. Kunden, die diesen wichtigen Dienst für moderne, cloud-native Anwendungen benötigen, mussten bislang auf externe Anbieter zurückgreifen. Als Einsatzbereiche für den neuen S3-Dienst nennt VMware Use Cases aus den Bereichen KI, DevOps sowie Backup- und Disaster-Recovery. In letzterem Fall ergibt es wohl primär Sinn, das Backup in einem getrennten Standort zu speichern, ansonsten ist man mit einer dedizierten S3-Appliance auf DataCore-Basis oder ObjectFirst, einem von Veeam-Mitarbeitern gegründeten Unternehmen, sicher besser bedient.
Nicht mehr unterstützt in kommenden Versionen sind VMwares vVols, die der Hersteller mit vSphere 6.0 als Option eingeführt hatte, externe Speichersysteme über spezielle APIs mit vSphere eng zu integrieren. Technisch durchaus innovativ und wegweisend, hatte die vVols-Technik keine weite Verbreitung gefunden – und bringt Broadcom auch wirtschaftlich nichts, da der Hersteller sich auf seinen hauseigenen softwarebasierten vSAN Speicherdienst konzentriert. In der Version 9.0 sind vVols bereits nicht mehr zertifizert und sollen in der demnächst erwarteten Version 9.1 aus dem Produkt entfernt werden.
Weitere auf der Hausmesse vorgestellte neue Features sollen die Plattform für Entwickler ausbauen und die technische Lücke zu den großen Hyperscalern verringern. Hierzu gehören Verbesserungen Database-as-a-Service-Dienst VMware Data Services Manager von VCF, der über den VCF-Lizenzpreis hinaus als extra berechneter Advanced Service for VMware Cloud Foundation läuft. Neu ist hier, daß Postgres- und MySQL-Datenbanken direkt über diesen Dienst verteilt werden können. Eine integrierte Unterstützung für Kubernetes Multi-Cluster Management, eine ArgoCD-Implementierung in VCF und Integration von Istio Service Mesh soll Kunden unterstützen, die auf einen GitOps-Ansatz setzen.
Ebenfalls spannend ist die Ankündigung einer Partnerschaft zwischen Broadcom und Canonical, das sich aktuell auf seiner Webseite als preisgünstigere Open-Source-Alternative zu VMware präsentiert. Laut Paul Turner, Vizepräsident für Produktentwicklung in der VCF-Geschäftseinheit von VMware, soll die Partnerschaft zwischen Broadcom, das „die industrieweit erste Private Cloud Plattform für moderne private Cloud Umgebungen herausgebracht habe und Canonical, dem Hersteller von Ubuntu, dem Nummer 1 Cloud Betriebssystem“ den Kunden helfen, die Effizienz ihrer Entwickler zu steigern, Sicherheitsrisiken zu minimieren und die Bereitstellung von AI Anwendungen vereinfachen. Konkret sollen VCF-Kunden den Zugriff auf Ubuntu Pro mit Enterprise-Support insbesondere für Kubernetes-Container erhalten, bessere Sicherheit dank sogenannter Chiseled Container – zu Deutsch ungefähr "gemeißelt", ein Angebot, unter dem Canonical auf das absolute Minimum reduzierte Container-Images versteht. Außerdem wird es Container für eine schnellere Bereitstellung von KI-Workloads geben, die Ubuntu-Images und die notwendigen GPU-Treiber umfassen, angepasst auf die virtuelle Umgebung.
Auch KI durfte auf der Hausmesse natürlich nicht fehlen und war nach der Plattform selbst eines der wichtigsten Themen der Veranstaltung. Bislang hatte VMware seinen VMware Private AI Foundation with Nvidia getauften Dienst als kostenpflichtiges Add-on zu VCF mitverkauft. Mit Beginn von Broadcoms neuem Fiskaljahr im November sollen VCF-Kunden jetzt ohne zusätzliche Kosten Zugriff auf die VMware-Private-AI-Dienste im Rahmen ihrer bestehenden Subscription erhalten.
Das Private-AI-Paket umfasst Dienste wie eine GPU-Überwachung, einen Model Store und eine Model Runtime, einen Agent Builder, Vektordatenbank und weitere unterstützende Funktionen. Zukünftig sollen VCF-Kunden auch auf VCF Intelligent Assist, Zugriff erhalten, wobei es sich um einen AI-gestützten Supportassistenten (aktuell in einer Tech Preview verfügbar) handelt. Zudem soll Unterstützung für das Model Context Protokoll (MCP) kommen. Auf der Hardwareseite wollen VMware und Nvidia ihre bestehende Partnerschaft ausbauen, VCF soll die Blackwell-Architektur mit den GPUs RTX Pro 6000 und Blackwell B200 unterstützen; das Gleiche gilt für die Netzwerkkarten ConnectX7 und Bluefield3 mit 400 Gbit, um auch die hohen Anforderungen von KI-Umgebungen ans Netzwerk abbilden zu können. Zudem will Broadcom seine VMware Private AI mit der Unterstützung von und durch AMD ausbauen. Kunden sollen VCF mit AMDs ROCm Enterprise-AI-Softwarepaket sowie die GPUs Instinct MI350 nutzen können, um Finetuning von LLMs, die Bereitstellung von RAG-Workflows (Retrieval Augmented Generation) und Inferencing-Aufgaben in ihren Rechenzentren betreiben zu können.
In der anschließenden Pressekonferenz nach der Keynote mussten sich VMwares Sprecher kritische Fragen der anwesenden Journalisten stellen. So dämpfte Paul Turner die Erwartungen an einen Einzelkauf von vSphere Standard und Enterprise in der aktuellen Version 9 – denn herunterladbar als Teil von VCF 9 sind ESX und vCenter durchaus. Turner betonte, daß VMwares Fokus aktuell auf der Gesamtplattform liege und er keinen Termin nennen könne, ab dem die Kernkomponenten als klassisches vSphere verfügbar seien.
Ebenfalls gedämpft wurden die Hoffnungen auf einen bald verfügbaren offiziellen Port von ESX auf die ARM-Architektur – die es als Preview schon seit mehreren Jahren gibt. In einer technischen Session machte ein dafür zuständiger Produktmanager den Teilnehmern Hoffnung auf ein baldiges Erscheinen einer ARM-Version. Doch in der Pressekonferenz hörte sich das schon wieder ganz anders an – hier wurden keinerlei Zusagen gemacht und betont, es hätte keine Priorität. Eine Aufzeichnung der Vorträge und die Folien stellt VMware aktuell nur Teilnehmern bereit, die auf der VMware Explore offiziell angemeldet waren; für die Allgemeinheit sollen sie zu einem späteren Zeitpunkt freigegeben werden. VMware-Mitarbeiter William Lam hat die URLs der Vortragsaufzeichnungen und Folien auf GitHub zusammengetragen.
In den vergangenen Jahren hatte es eine europäische Ausgabe der Hausmesse gegeben, die zuletzt in Barcelona im November stattfand. Sie hatte Broadcom bereits auf der letzten europäischen Explore im November 2024 abgekündigt. An ihre Stelle treten nun kleinere regionale Veranstaltungen, die VMware Explore on Tour. Die deutsche Ausgabe findet am 11. und 12. November in Frankfurt statt, eine Eintrittsgebühr für die Veranstaltung wird fällig. Auch eine weitere VMware Explore USA soll es Ende August nächsten Jahres wieder in Las Vegas geben – die Wetten der anwesenden Teilnehmer liefen eher in die Richtung, daß die diesjährige Explore auch das Ende der VMware Hausmessen darstellen würde.