"Happy Birthday"? 4. April 1975: Bill Gates & Paul Allen gründen Microsoft
Laut Bill Gates firmiert das Unternehmen seit der offiziellen Gründung am 4. April 1975 als "Microsoft" ohne Bindestrich, doch die alte Schreibweise der Partnerschaft mit Paul Allen "Micro-Soft" hielt sich noch eine Weile. Wir blicken anläßlich des 50. Jahrestags der Gründung zunächst auf die spannende frühe Anfangszeit zurück, die eine jüngst erschienene Autobiografie von Bill Gates näher beleuchtet. Schon damals zeigte sich, welchen Stellenwert juristische Auseinandersetzungen in der Entwicklung des Unternehmens einnehmen. Und: schon damals war Microsoft nicht jedermanns Liebling.
Im November 1974 las der technisch sehr interessierte Paul Allen einen Artikel der Zeitschrift Popular Electronics, in dem der Bausatz eines Mini-Computers namens "Popular Electronics/MITS Altair 8800" angekündigt wurde. Während das Editorial der Zeitschrift begeistert davon sprach, daß der "Heimcomputer" endlich da ist, wußte Allen, daß die Mikrocomputer-Revolution anbrach, über die er viele Stunden lang mit seinem Freund Bill Gates diskutiert hatte. Allen und Gates beschlossen, einen Basic-Interpreter für diesen Rechner zu entwickeln, und besorgten sich die nötigen Handbücher für den von Altair verwendeten Prozessor, den Intel 8080.
Der Plan war, dass Allen auf einer PDP-10 von DEC einen Emulator des Prozessors entwickeln und Gates den Basic-Interpreter schreiben sollte. Während beide ihr Projekt aufgeregt in der Mensa der Universität Harvard diskutierten, stieß ein Student namens Monte Davidoff hinzu. Er bot an, die Gleitkomma-Arithmetik zu entwickeln – ohne diese könne man kein anständiges Mondlandespiel in Basic schreiben, wie Gates in seinen jüngst erschienenen Memoiren schreibt.
Das Projekt profitierte entscheidend davon, daß Allen und Gates sehr gute Kenntnisse über die PDP-10 und ihre Tools besaßen, dank ihrer monatelangen Arbeit als Bugfinder bei der Firma "Computer Center Corporation" im heimischen Seattle. CCC, auch C-Cubed genannt, hatte eine PDP-10 gekauft und wollte Rechenzeit des Computers an Firmen in der Umgebung vermieten. Dazu musste die DEC-Software ausreichend stabil laufen. Die CCC-Managerin Monique Rona stellte dafür Bill Gates ein, den Schulkameraden ihres Sohnes, und dieser brachte Paul Allen von der Lakeside School Programming Group mit.
Neben dem Debuggen konnten beide nach Herzenslust ohne Zeitbegrenzung an ihren Programmen arbeiten. In Harvard hatte Gates wieder ein unbegrenztes Nutzerkonto auf einer solchen Maschine, das er sich beim Basic-Projekt mit Allen und Davidoff teilte. Als diese verbotene Nutzung aufflog, drohte Gates die Exmatrikulation, die von seinem Vater abgewendet wurde. Der Rechtsanwalt Bill Gates Senior verlangte Einsicht in die Benutzungsordnung, die gar nicht existierte. Von dem Harvard-Rechner vertrieben, mußten sich die drei Jungen allerdings Rechenzeit bei einem Bostoner Timesharing-Anbieter kaufen, um den Basic-Interpreter weiterzuentwickeln.
Paul Allen schrieb an die Firma MITS, die das Bastelkit für den Altair 8800 vertrieb. "Wir sind daran interessiert, diese Software über Sie an Hobbyisten zu verkaufen. Sie kann auf Kassette oder Floppy Disks an Nutzer Ihres ALTAIR Mikrocomputer geliefert werden. Wir denken, von Ihnen 50 Dollar pro Kopie zu bekommen, während Sie die Kopie für 75 bis 100 Dollar verkaufen können." Laut Paul Allens Nachlaß hatten die jungen Männer zu dem Zeitpunkt noch "keine Zeile Code" geschrieben. MITS-Gründer Ed Roberts wußte das natürlich nicht und lud Allen nach Albuquerque ein, um den Basic-Interpreter vorzuführen.
So blieben nur acht Wochen für die eigentliche Arbeit. Noch im Flugzeug schrieb Allen ein Programm, das den Basic-Interpreter (später als Altair BASIC vermarktet) in den Arbeitsspeicher laden und aufrufen konnte. Die Vorführung klappte hinreichend, und Allen wurde am 3. März 1975 als "Director of Software Development" bei MITS eingestellt.
Bill Gates machte sich unterdessen Gedanken um die Partnerschaft und wie es nach der Unterzeichnung des Vertrags mit MITS weitergehen könnte. Er schrieb an Allen: "Micro-Soft kann erfolgreich sein, weil es in der Lage ist, gute Software zu entwickeln und zu schreiben, und weil es in der Lage ist, Leute wie Monte zu nehmen, sie zu unterrichten, ein Projekt für sie auszuwählen, Ressourcen bereitzustellen und sie zu verwalten. Die damit verbundenen finanziellen, rechtlichen und Managemententscheidungen sind sehr schwierig, wie du sicher weißt. Ich denke, mein Beitrag zu diesen Aufgaben berechtigt mich zu mehr als 50 Prozent von Microsoft."
Gates und Allen einigten sich bei den Microsoft-Anteilen zunächst auf 60 zu 40 Prozent, als die Partnerschaft am 4. April 1975 formalisiert wurde. Später baute sie Gates gar auf 64 zu 36 Prozent aus, sehr zum Ärger Allens. "Das ist der Unterschied zwischen dem Sohn eines Rechtsanwaltes und dem Sohn eines Bibliothekars", notierte Allen verbittert in seiner Autobiografie "Idea Man". Im Jahr 1980 sollte Gates die zusätzlichen 4 Prozent nutzen, um Steve Ballmer in die Chefetage von Microsoft zu holen.
Die junge Partnerschaft erwischte einen schlechten Start. Microsoft nahm im ersten Jahr seines Bestehens insgesamt nur 16005 US-Dollar ein, davon kamen gerade einmal 3000 Dollar von MITS. Das erboste besonders Bill Gates, denn es waren bedeutend mehr Kopien Altair BASICs unterwegs, wie er bei verschiedenen Club-Treffen der Hobbyisten lernte, als er und Paul Allen mit dem MITS-Mobile durch die Lande fuhren.
Zurück in seinem Studentenwohnheim in Harvard setzte sich Bill Gates an die Schreibmaschine und schrieb im Februar 1976 auf dem Briefpapier von MITS einen offenen Brief an die Hobbyisten, dessen schroffer Ton ihn schlagartig berühmt machte. In seinen Memoiren erklärt Gates den Ton mit dem Autismus, den ein von seinen Eltern zu Hilfe geholter Therapeut bei ihm diagnostiziert hatte. Die Hobbyisten zweifelten Gates Behauptung an, bisher 40000 Dollar in die Entwicklung Altair BASICs gesteckt zu haben, und ärgerten sich über die Forderung, Softwarekopierer, die Altair BASIC weiter verkauften, von allen Veranstaltungen auszuschließen.
Der offene Brief zeigte jedenfalls keine Wirkung, ganz im Gegenteil. Die junge Firma Microsoft stand danach kurz vor der Pleite, bis ihr einer der allerersten Angestellten 70000 Dollar lieh: Bob Greenberg, einer der Erben der Firma Coleco, ließ sich seinen Anteil auszahlen und steckte ihn in Microsoft. Später sollte er dafür mit den Cabbage Patch Kids der Firma mehr als genug kompensiert werden. Greenberg gewann in einem Quiz der Radiostation von Albuquerque den ersten Preis, ein Fotoshooting, weil er alle erschossenen Präsidenten der USA nennen konnte. So entstand 1978 das legendäre haarige Foto aller Mitarbeiter von Microsoft in Albuquerque, bei dem der gerade an Applesoft BASIC arbeitende Ric Weiland und "Mama" Miriam Lubow fehlten.
In seinen Memoiren erinnert sich Gates an einen weiteren Grund für die schlechte Geschäftsbilanz der Partnerschaft: MITS befand sich zu der Zeit in Übernahmegesprächen mit Pertec, einem großen Hersteller von Festplatten und Bandlaufgeräten. Die Juristen von Pertec wollten mit Drohungen und Zahlungseinstellungen mit aller Gewalt verhindern, daß Microsoft seinen Basic-Interpeter an andere interessierte Firmen wie Texas Instruments oder NCR verkauft oder auf andere Prozessoren portiert.
Microsoft zog vor Gericht in Albuquerque, wo MITS und Pertec angaben, das alleinige, weltweite Vertriebsrecht für Microsofts Altair BASIC zu haben. Microsofts Anwalt – von Bill Gates Sr. vermittelt – verwies hingegen auf den Passus der Lizenzvereinbarung, nach dem MITS sich verpflichtet, "sich nach besten Kräften um die Lizenzierung, Förderung und Vermarktung des Programmes zu bemühen." Der Richter gab Microsoft recht und nannte das Verhalten von MITS/Pertec einen Akt der Unternehmenspiraterie, "der weder durch den Wortlaut noch durch irgendeine vernünftige Auslegung des Vertrages erlaubt ist".
Unmittelbar nach Verkündung des Urteils verkaufte Microsoft Lizenzen an Commodore und Tandy, sowie unter dem Namen Applesoft BASIC an Apple. Die Firma mit ihren mittlerweile 13 Angestellten inklusive Gates und Allen war in sicherem Fahrwasser. Doch weil Albuquerque dem Unternehmen finanzielle Unterstützung verweigerte, zog es zum Jahresbeginn 1979 nach Bellevue, Washington, in die Nähe Seattles. Dort hat sich die kleine, nunmehr von MITS unabhängige Firma in den folgenden 40 Jahren prächtig entwickelt.
Aber etwa ab dem Jahre 2010 mehrten sich Alarmzeichen. Bill Gates war als operativer Lenker zurückgetreten, unter seinem unglücklich agierenden Nachfolger Steve Ballmer verzettelte sich die Firma in Hardware-Projekten wie dem Musik-Gadget Zune und dem Windows Phone mitsamt der Übernahme des Kerngeschäftes der strauchelnden Firma Nokia. Der Höhepunkt war wohl erreicht, als Ballmer alle Manager auf einer Jahresfeier aufforderte, ihre iPhones zu zertreten – und diese Art der Teufelsaustreibung auf offener Bühne vollzog.
Es lohnt sich, diese Szene aus der Sicht von Ballmers Nachfolger Satya Nadella zu betrachten, wie in dessen Autobiografie "Hit Refresh" beschrieben. Unter Nadellas außerordentlich erfolgreicher Regie verabschiedete sich Microsoft von seiner Konkurrenz-Phobie, umarmte sogar Linux und ging in die Cloud, in die die Unternehmen in aller Welt mit Microsoft 365 gleich kostenlos mitgeschleppt wurden.
Seinen persönlichen "Hit" erreichte Nadella 2019 mit dem frühen großen Investment in das Start-up OpenAI, gefolgt von der Wiedereinsetzung des Firmengründers Sam Altman, als der von seinem Aufsichtsrat gefeuert worden war. Unter Nadellas Führung will Microsoft in aller Welt mithilfe von KI Datenschätze heben und nutzbar machen. Wie heißt es noch so schön im biografischen Leitsatz Nadellas: "The business of business is improving the state of the world."
Während Paul Allen 2018 gestorben ist, widmet sich Bill Gates heute unter anderem seiner gemeinützigen Milliardenstiftung, die sich gegen Armut, Krankheit und Diskriminierung einsetzt. Anläßlich Microsofts 50. Geburtstag hat Gates Altair BASIC als Quelltext veröffentlicht.