Ausgeskypt – Nachruf auf ein Stück Netzkultur
Gratis übers Internet telefonieren – eine simple, aber beispiellos erfolgreiche Idee, jedenfalls wenn man die Kosten für den Internet-Anschluss, den man ja kurz nach der Jahrtausendwende ohnehin irgendwie brauchte, außen vor lässt. Das war die Idee von Skype, das 2003 an den Start ging. Skype ging danach durch einige Hände. Im Mai 2025 will der derzeitige Besitzer Microsoft den Dienst einstellen und die Nutzer zu Teams migrieren.
Damit ist die Idee des Peer-to-Peer-Gesprächs passé, ab dann läuft alles über Microsofts Server. Die vermeintlich direkte Verbindung, und noch mehr die extrem einfache Handhabung, waren immer schon die Basis für den Erfolg von Skype. Stand am Anfang noch die Telefonie im Vordergrund, wurde Skype schnell videofähig, und das brachte dann den Durchbruch auch im privaten Umfeld: der Kontakt zu entfernt wohnenden Verwandten wurde unkompliziert und viel persönlicher möglich. Und billiger als über teure Telefonverbindungen, besonders wenn's ins Ausland oder nach Übersee ging, war Skype sowieso.
Der Erfolg von Skype ist nicht ohne das Umfeld von Technik und Gesellschaft der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts zu erklären. Smartphones, heute das Standard-Gerät für jegliche Kommunikation, waren noch sehr teures Spielzeug für Profis und Nerds. Die Mobilfunktarife waren noch teurer als heute, die Bandbreiten beschränkt, an sinnvolle Video- oder gar Gruppenkonferenzen war noch nicht zu denken. Ein Durchbruch wie das iPhone, das 2007 auf den Markt kam, nicht abzusehen.
PCs dagegen, vorwiegend noch als Desktop-Variante, waren im beruflichen wie privaten Umfeld allgegenwärtig. Daheim machten halbwegs breitbandige (DSL)-Anschlüsse das Surfen und Spielen zum Alltag. An der Kommunikation haperte es jedoch, Gamer setzten auf hakelige Lösungen wie Teamspeak und Chatprogramme wie das ebenfalls kürzlich eingestampfte ICQ. Was fehlte, war das eine Programm – damals noch nicht "App" genannt – das Sprache, Chat, Screensharing und Dateiübertragung vereinte. Und das einfach nur funktionierte. Das war Skype.
Egal, ob man im Büro kurz den Geschäftskontakt in den USA ohne hohe Telefongebühren anrufen wollte, oder abends Mutti ein Programm erklären wollte – Stichwort: Screensharing – Skype konnte das alles. Große Konfiguration war nicht nötig, Skype setzte vorwiegend auf die Ports für Web-Anwendungen. Was es übrigens auch angreifbar machte, wenn man die IP-Adresse eines Skype-Nutzers herausbekam. Für die ersten von Skype begeisterten Gamer wurde das in den 2010er-Jahren zum Problem, für Angestellte hinter einer guten Firmen-Firewall eher weniger.
Abseits von solchen Fehlern überzeugte auch die Kontaktliste mit Namen, denn die konnte man sich selbst gestalten. Eine Bindung an eine Mobilfunknummer, wie heute etwa bei Telegram, gab es bei Skype nicht. Accounts konnte man so viele haben, wie Mailadressen verfügbar waren. Das "Skype-Telefonbuch" war bald so wichtig wie gut gepflegte E-Mail-Adressen. Clever war auch, daß man mit einem Guthaben – das Microsoft natürlich auch kürzlich abgeschafft hat – direkt Telefonnummern anrufen konnte, Skype betrieb dazu viele Gateways ins Festnetz. Der heute übliche Gruppenzwang ("Hast du kein WhatsApp?") war gar nicht nötig. Am PC reichte ein billiges Kabel-Headset, um mit Skype zu telefonieren. Erst für Videochats brauchte man eine Webcam, überhaupt dürften Webcams vor allem durch Skype einen kräftigen Schub erhalten haben, vielleicht auch für ganz private 1-zu-1-Konferenzen unter Erwachsenen.
Für eine heute fast vergessene Kategorie an Hardware war Skype gleich eine Art Killer-App, nämlich die Netbooks. Diese im Vergleich mit großen Notebooks sehr billigen Mini-Laptops hatten seit dem Eee PC von Asus, erschienen 2007, eine Phase von rund vier Jahren großer Popularität. Dank ihrer schon eingebauten Webcams konnte man an öffentlichen WLAN-Hotspots prima Videokonferenzen abhalten – damals übrigens höflicherweise noch mit Kopfhörern, nicht wie heute oft zu sehen auch im Supermarkt mit der WhatsApp-Freisprecherei. Das Verb "skypen" etablierte sich als Synonym für die Videotelefonie.
Den Sprung aufs Smartphone hat Skype aber schlecht hinbekommen, sondern WhatsApp, Signal und Co. waren dort allgegenwärtig. Vielleicht, weil sie sich als SMS-Ersatz zu einer Zeit etablieren konnten, als die 2G/3G-Bandbreiten für Videogespräche noch zu gering waren, vielleicht weil Skype die Transformation schlicht verschlafen hat. Die Messenger bieten in der Hosentasche jedenfalls alles, was Skype auf dem PC schon vor 20 Jahren konnte.
Und damit ist es vielleicht auch Zeit, daß der Pionier abtritt. Microsoft hat es offenbar seit seiner Übernahme von Skype im Jahr 2011 nicht geschafft, darauf auch ein Geschäftsmodell aufzubauen, auch wenn das mit "Skype for Business" halbwegs ernsthaft versucht wurde. Mit Teams hatte man sich dann auch noch Konkurrenz im eigenen Haus geschaffen. So wie Nutzer ohne große technische Not von Windows 10 zu Windows 11 gedrängt werden, will der Megakonzern jetzt eben nur noch eine Plattform pflegen.