Ex-ownCloud-Devs suchen Neustart bei OpenCloud
Am 22. Januar kündigte die Heinlein Gruppe an, den Quellcode der Datenaustauschplattform ownCloud Infinite Scale (oCIS) als OpenCloud in einer gleichnamigen neuen Tochterfirma weiterzuentwickeln. Teil der neuen Firma sind wohl über ein Dutzend Mitarbeiter, die vorher für ownCloud an Infinite Scale gearbeitet haben. Der ownCloud-Eigentümer Kiteworks droht hingegen mit rechtlichen Schritten, obwohl oCIS Open-Source-Software ist.
Zum Hintergrund: in den vergangenen Jahren erneuerte ownCloud sein technisches Fundament. Während ownCloud 10 als PHP-Produkt zwar noch im Portfolio blieb, startete man ab 2018 einen fast kompletten Rewrite des Codes in Go und unter Apache-2.0-Lizenz. Der neue Ansatz namens Infinite Scale arbeitet mit Microservices und ist damit performanter und besser skalierbar. Gedacht ist das Infinite Scale als Datenaustauschplattform für Enterprise-Kunden und wird etwa in der BayernCloud Schule genutzt.
Im November 2023 kaufte die Kiteworks Europe AG ownCloud – eine Tochter des milliardenschweren amerikanischen Security-Anbieters Kiteworks LLC. Zusammen mit dem Filesharing-Unternehmen Dracoon stellte ownCloud damit einen Fuß in die Tür des DACH-Marktes, wie Kiteworks mitteilte.
Nach der Übernahme habe sich der Führungsstil geändert, berichteten ehemalige ownCloud-Mitarbeiter vertraulich. Und es habe an konkreten Zusagen von Kiteworks gefehlt, wie es um die langfristige Weiterentwicklung von oCIS stehe. Man habe aus Überzeugung an oCIS gearbeitet, glaubt an dessen Zukunft als Open-Source-Produkt und schätzte zudem das gemeinsame Team. Daher habe man sich sukzessive für einen Neuanfang bei OpenCloud entschieden, so mehrere Mitarbeiter.
Die Heinlein Gruppe, zu der OpenCloud gehört, dürfte den meisten als Betreiber des E-Mail-Providers mailbox.org bekannt sein, entwickelt aber mit OpenTalk auch eine Open-Source-Videokonferenzlösung. Beides, OpenTalk und OpenCloud, will Heinlein bei Unternehmen, im Bildungssektor, Forschungseinrichtungen und Behörden als sichere und unabhängige digitale Infrastruktur vermarkten. "Wir sind stolz darauf, daß gleich mehrere Entwickler mit langjähriger hoher Fachkompetenz auf uns zugekommen sind und sich hier mit ihrem ganzen Erfahrungsschatz für eine freie Open Source-Lösung einbringen", freut sich Geschäftsführer Peer Heinlein.
Kiteworks ist hingegen wenig begeistert – eine geschlossene Truppe Entwickler, die jetzt in eigenem Unternehmen genau den Code benutzt, den sie schon unter Kiteworks respektive ownCloud entwickelten? Für Kiteworks riecht das nach Abwerbung, also geht das Unternehmen in die Offensive: Kiteworks-CEO Jonathan Yaron gab im Gespräch mit heise.de an, Peer Heinlein nach deutschem und amerikanischem Recht verklagen zu wollen: "Wir lieben Open Source, aber wir lassen uns nicht bestehlen".
Zankapfel ist hier der Rahmen, den Kiteworks den oCIS-Entwicklern in den letzten anderthalb Jahren zur Verfügung gestellt haben will. Zwar sei der Code zweifelsohne quelloffen, aber das Design, das Produktmanagement, alles um den Code herum sei ja schließlich von Kiteworks gekommen. Er verweist darauf, daß es für oCIS eben nicht nur ein öffentliches GitHub-Repository gäbe, sondern auch ein privates – was sich an der Stelle nicht nachprüfen lässt. Ohnehin pocht OpenCloud darauf, nur den öffentlichen oCIS-Code zu forken.
Darüber hinaus hätten die Mitarbeiter vollen Zugriff auf Kiteworks-Interna gehabt. Daß die jetzt in so einer Ballung – Yaron spricht von 15 Mitarbeitern – nach außen in ein anderes Unternehmen fließen, wäre ungeheuerlich. Peer Heinlein betont im Gegensatz dazu ausdrücklich, daß er nie aktiv einen Wechsel der Mitarbeiter erwirkt hätte. Es hätten sich nur Mitarbeiter des oCIS-Teams bei OpenCloud beworben – sodaß OpenCloud schon im ersten Quartal 2025 verfügbar sein soll. Für ownCloud-Kunden findet Kiteworks-CEO Yaron allerdings zuversichtliche Worte: Zurzeit stellen sie neue Mitarbeiter ein, Entwicklung und Support des oCIS-Ansatzes innerhalb von ownCloud sei nicht bedroht.
Es ist nun schon das zweite Mal, daß der ownCloud-Code geforkt wird: Im Frühjahr 2016 verließ Mitgründer Frank Karlitschek das Unternehmen zusammen mit einem Dutzend Entwickler und gründete Nextcloud. Dort entwickelten sie den PHP-Code weiter und bauten viele Zusatzfunktionen ein.