Digital Services Act: Nutzerzahlen bei Porno-Plattformen in der EU brechen ein
Auffälliger Nutzerschwund bei den vier größten europäischen Porno-Webseiten: XNXX, XVideos, Pornhub und Stripchat geben in ihre neuen, mit dem Digital Services Act (DSA) für sie verpflichtend gewordenen Transparenzberichten deutlich weniger Nutzer an als im Halbjahr zuvor. Demnach würde nur noch XNXX als sehr große Online-Plattform (VLOP) im Sinne der Verordnung gelten. Diese müssen besondere Sorgfaltspflichten einhalten.
VLOPs sind laut DSA Dienste, die durchschnittlich mehr als zehn Prozent der EU-Bevölkerung beziehungsweise über 45 Millionen Bürger in den Mitgliedsstaaten erreichen. Die EU-Kommission stufte anhand dieser Kriterien im Dezember 2023 zunächst die Erotik-Portale Pornhub, Stripchat und XVideos als VLOPs ein. Seit Juli muss sich auch XNXX an die strengsten DSA-Vorgaben halten.
Besonders starken Nutzerrückgang meldet XVideos, das Berichten zufolge genauso wie XNXX von der Prager WGCZ Holding betrieben wird. Für August 2024 gab die Plattform noch durchschnittlich 84 Millionen Nutzer in der EU an. Ein Jahr davor waren es noch 150 Millionen. Für Februar 2025 nennt XVideos nur noch 31 Millionen User.
Den drastischen Schwund 2024 erklärte der Betreiber damit, daß es aufgrund des großen Anteils der Besucher mit "Inkognito"-Browsern bis vor Kurzem unmöglich gewesen sei, eine genaue Zahl zu berechnen. "Aufgrund unserer Erfahrung und unserer Faustregel haben wir jedoch geschätzt, daß wir über der Quote von 45 Millionen einzelnen EU-Nutzern pro Monat lagen." Deswegen habe er "einfach die höchste Zahl veröffentlicht, um Spekulationen und Zeitverschwendung zu vermeiden".
Mittlerweile will der XVideos-Betreiber aber einen Weg gefunden haben, genauere Informationen zu liefern. "Wir wissen jetzt, daß in der EU fast 40 Prozent unserer Nutzer die Webseite in Inkognito-Sitzungen besuchen", heißt es. Viele machten sich offenbar "große Sorgen um ihre Privatsphäre". Das ermögliche es, "realistischere Zahlen" zu berechnen, mit weniger Mehrfachzählung der selben Personen.
XNXX meldet aktuell 46 Millionen durchschnittliche monatliche Nutzer in der EU, während es im August noch 77 Millionen gewesen sein sollen. Die Begründung für das massive Minus ist die gleiche wie bei XVideos. Pornhub behauptet, zu Beginn des Jahres durchschnittlich 26,6 Millionen monatliche EU-Nutzer gehabt zu haben. Stripchat meldete im August noch in etwa die gleiche Größe. Im Zeitraum Juni bis November 2024 soll die Zahl der monatlichen User aus der EU aber auf knapp 20 Millionen gefallen sein.
Über die Nutzerzahlen der Porno-Seiten gibt es seit Inkrafttreten des Plattformgesetzes Streit. Beobachter schätzen die gemeldeten Besucher als viel zu niedrig ein. Im März 2024 kündigten Pornhub, Stripchat und XVideos an, daß sie gegen die neuen Verpflichtungen klagen werden. Aylo, der Eigentümer von Pornhub, begründete dies unter anderem damit, daß die Kommission die Nutzerzahlen falsch berechnet habe.
Ein Rechtsstreit zwischen Aylo und der EU-Kommission über Werbearchive ist inzwischen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gelandet. Im Juni verlangte die EU-Kommission von den drei Sex-Plattformen trotzdem zusätzliche Informationen zum Schutz Minderjähriger und zum Vorgehen gegen illegale Inhalte.
Betreiber sehr großer Plattformen müssen Risikoabschätzungen durchführen und ausgemachte Gefahren etwa für die Demokratie, die öffentliche Sicherheit, Grundrechte und den Jugendschutz minimieren. Für Anbieter von Erwachseneninhalten heißt das, den Zugang Minderjähriger dazu zu verhindern, etwa mit Instrumenten zur Altersverifikation. VLOPs sollen ferner ihre Daten und Angaben zu Algorithmen mit Behörden, Forschern und zivilgesellschaftlichen Organisationen teilen, damit diese ihre Arbeitsweise überprüfen und zu einem Lagebild beitragen können. Nötig ist auch die Publikation eines Werbearchivs.
Ein Sprecher der EU-Kommission sagte dem Magazin Euractiv, daß sie "die Marktentwicklungen genau verfolgt". Falle ein VLOP unter den Schwellenwert, sei eine Neueinstufung denkbar. Dann gelten für die betroffene Plattform die allgemeinen DSA-Pflichten. Dazu gehört, benutzerfreundliche Mechanismen zur Meldung illegaler Inhalte bereitzustellen, Werbung eindeutig zu kennzeichnen und jährliche Transparenzberichte herauszugeben.